Es geht nicht weiter und irgendwie geht es auch nicht so richtig voran. Der gute Wille ist meist da, woran es fehlt, sind kluge Diagnosen, gute Ideen und die Kraft zur Umsetzung. Miriam Zimmer und Matthias Sellmann zeigen, wie es gehen kann.
„Die Zukunft, die wir wollen, muss erfunden werden.
Sonst bekommen wir eine, die wir nicht wollen.“
Joseph Beuys (Künstler und Kunsttheoretiker)
Die Diagnosen sind klar: Der wache Blick in die Gemeinden, die Analyse der Zahlen und die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung zeigen schon lange auf, dass vor allem das klassische pfarrgemeindliche Modell von Kirche in der Krise steckt. Das Parochialprinzip, das noch in der überkommenen gemeindetheologischen Variante daherkommen will, ist passé. Seine gemäßigt volkskirchlichen Kennzeichen sind diese: eine kleinräumige Territorialgemeinde, in der eine christlich geprägte Bewohner:innenstruktur zugleich Kirchenmitglieder sind, die von mindestens einer Pfarrperson gekannt und von der Wiege bis zur Bahre gastwirtlich (= parochus) willkommen geheißen und versorgt werden kann. Keins dieser Kennzeichen kann den Bewährungstest gegenwärtiger Religionsstile und -bedarfe bestehen.
Das klassische pfarrgemeindliche Modell steckt in der Krise.
Es werden stetig weniger, die sich gemeindlich identifizieren; auch wenn immer einige und oft Ältere bleiben, die die Gruppen und Angebote gerne wahrnehmen. Allen ist die Entwicklung klar: den Leitenden in den Ortskirchen, den Superintendent:innen und Dekanen, den Theolog:innen an den Universitäten und Hochschulen, den Einrichtungsleitenden und Kirchenverwaltungsmitgliedern. Von Abschieden und Loslassen, Exnovation und „Post“-Vorsilben (Post-modern, post-christlich, post-konfessionell, post-parochial), von Obsoleszenz ist die Rede. Allen, wirklich allen, die sich mit den Kirchen beschäftigen ist klar, dass etwas vorbei geht oder vielleicht schon vorüber ist, zumindest in seiner Zentralität.
Allen, wirklich allen, ist klar: etwas geht vorbei.
Und doch: auch wenn alle um den Transformationsbedarf wissen und sich zu ihm bekennen, stecken die kirchlichen Organisationen in einer Steuerungsblockade. Entscheidungen werden nicht getroffen, Prozesse werden abgebrochen, Beschlüsse nicht umgesetzt. Oft blockiert man sich gegenseitig, erodiert das eigentlich bereits Erkannte in Gremien, Netzwerken oder Schein-Partizipationsrunden ins Banale.
Die kirchlichen Organisationen stecken in einer Steuerungsblockade.
Eine Erklärung für diese Steuerungsblockade könnte sein, dass die reine Einsicht, dass es nicht so weitergeht wie bisher (Weg-von-Motivation), eben keine Richtung weist, wohin es denn dann gehen könnte. Der Blick geht weiterhin zurück, was aber entwickelt werden will, sind die Zielbilder, wohin denn dann (Hin-zu-Motivation). Es fehlen aktuell die positiven Bilder, vielleicht gar unterschiedliche Szenarien des organisierten Christentums in einer mehrheitlich säkularen Gesellschaft der Zukunft. Diese zu entwickeln, vielleicht gar auch mancherorts zu entdecken und als motivierende Ambition zu formulieren, die einen Vorgeschmack gibt und Sog generiert, ist die Aufgabe. Es braucht ein Zukunftsbild, das alle Mitglieder der Verwaltung, Seelsorge, Einrichtungen anregt, ihre eigenen Prozesse kreativ auf dieses Zukunftsbild auszurichten. Nicht nur ein Ideal also, sondern die Kombination aus Ideal und verbindlicher Handlungsmacht und Trägerverantwortung.
Hin-zu- statt Weg-von-Motivation!
Nun gab es schon in vielen Prozessen solche zukunftsgerichteten Prozesse. Im Erzbistum Paderborn etwa hieß schon 2014 das Ergebnis des damaligen Diözesanprozesses „Zukunftsbild“. Beispiele aus vielen anderen Diözesen lassen sich beibringen. Oft hat man es mit optimierten Zustandsbeschreibungen zu tun, begründet mit abstrakten theologischen Konstrukten. Eine solche Hin-zu-Motivation müsste mehr leisten: nämlich den Überschlag in die Struktur. Sie müsste den Mut aufbringen, die Prozesse daraufhin zu überdenken: Ressourcenverteilung, Personalentwicklung, Besetzungsvorschriften, Berufsstandsprivilegien, Kommunikationskanäle und auch Bewertungskategorien.
„Beibehalten des Status Quo ist keine gute Option, das wissen wir von überall, deshalb muss sich das Beibehalten mindestens genauso rechtfertigen, wie das was was anderes machen will.“
(Maja Göpel, Transformationsforscherin, Interview mit der Allianz Foundation 2022).
Das Zentrum für angewandte Pastoralforschung (zap) in Bochum ist in der Szene der (Pastoral-)Theologie und Kirchenentwicklung schon länger durch seinen konsequent organisationalen Ansatz bekannt – und auch immer wieder in der (berechtigten) Kontroverse um diese intellektuelle Priorisierung. Im letzten Jahr konnte ein neuer Meilenstein dieser konzeptionellen Grundorientierung eingesetzt werden: Zusammen mir der Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung (midi) wurde die gemeinnützige Unternehmergesellschaft ɪmpækt – Institut für Evaluation und Wirkungsforschung gegründet. Einige mögen sich fragen, was das nun soll und wozu es so ein Institut nun noch braucht.
Einige mögen sich fragen, was das nun soll und wozu es so ein Institut nun noch braucht.
Vier zentrale Gründe treiben uns an, die wir an dieser Stelle darstellen wollen:
Weil die Zukunft zu entwickeln ist. Das gilt sowohl für unsere Gesellschaft als auch für Kirche. Und diese Zukunft wird anders aussehen als die Gegenwart und auch als die Vergangenheit. Die KMU VI gibt uns einige Perspektiven aus den empirischen Daten von heute, die schon jetzt auf das Morgen weisen: Die Zukunft der Gesellschaft wird säkularer und pluraler sein, die Zukunft ist volatiler, Entwicklungen vollziehen sich schneller, soziale Lagen ungleicher. Die Zukunft der Kirche ist darin nur ökumenisch, zugleich zunehmend kirchensteuer- und staatsleistungsunabhängig, handlungs- und kooperationsfähig zu konzipieren.
Kirche für ein gelingendes Leben aller
ɪmpækt möchte als Teil dieser Entwicklung Kirche für eine Gesellschaft entwickeln, in der möglichst alle Menschen ein gelingendes Leben entwickeln können. Dafür hat sich impaekt eine Form und Struktur gegeben, die außerhalb der großen Körperschaften steht und dadurch in sich selbst die Ansprüche an Ökumene, Mittelunabhängigkeit und Handlungsfähigkeit verwirklicht. Die entstehenden Netzwerke und Kooperationen mit kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Partner:innen entwickeln bisher ungekannte Dynamiken, Lernerfahrungen und Erwartungen. Die organisatorische Form bietet die Möglichkeit mit kurzen Feedbackschleifen, Bedarfe zu erkennen, mit unseren Anliegen abzuwägen und Entscheidungen zu treffen. Kurze Feedbackschleifen zeigen uns, was wirkt und wie wir Zukunft mit entwickeln können.
Weil die Gesellschaft die christliche Botschaft braucht. Auch wenn unsere Gesellschaft immer säkularer wird, so braucht sie dennoch die Christ:innen und ihre Botschaft. Davon sind wir überzeugt und das lässt sich auch empirisch belegen, wenn z.B. die KMU feststellt, dass eine breite Mehrheit darauf setzt, dass Kirche sich für Geflüchtete und Menschen in anderen Notsituationen einsetzt, auch in öffentlichen Debatten und politischen Auseinandersetzungen ihre Stimme erhebt. Es braucht die christliche Botschaft dort, wo die Erfahrungen von Einsamkeit, Zukunftsangst und Erschöpfung zunehmen und das Bedürfnis des Gesehenwerdens und der Erfahrung von Selbstwirksamkeit groß ist.
Auch eine säkulare Gesellschaft braucht die Christ:innen und ihre Botschaft.
Wir möchten dabei unterstützen, dass im breiten theologischen Sinne Leben gelingen kann. Das tun wir, indem wir zum einen christliche Organisationen dabei unterstützen, genau diese Message in all ihren Facetten auf die Straße zu bringen und andererseits durch unsere Arbeit selbst. Durch Wirkungsorientierung und -messung (= Evaluation) bieten wir allen gemeinnützigen Organisationen an, ihr Handeln zu reflektieren und wirksamer auszurichten.
Weil Kirche einen Auftrag hat. Es wird zuletzt viel bezeugt, dass die Kirche nicht um ihrer selbst willen besteht, eine Botschaft in Wort und Tat verkünden soll und in dieser Welt einen Vorgeschmack auf das Himmelreich zu geben. Doch bei endlichen Mitteln und in Rückbauprozessen, die oftmals Interessenkonflikte mit sich bringen – hier ist Kirche nicht anders als andere Organisationen – gerät die Orientierung am Auftrag und an den Wirkungszielen gerne aus dem Blick.
den kirchlichen Auftrag in den Mittelpunkt stellen
Wirkungsorientierung und Evaluation kann helfen, evidenzbasiert bewusste Entscheidungen zu treffen, die den kirchlichen Auftrag in den Mittelpunkt stellen.
Weil der Paradigmenwechsel nur durch Reflexion und aktive Auseinandersetzung gelingt. Unsere Handlungsroutinen sind über Jahrzehnte, teils Jahrhunderte gewachsen. Sie sind tief eingeschrieben in Berufsidentitäten und Organisationsstrukturen/-prozesse. Sie dienen der Kontinuität und dem effizienten Erhalt des Bewährten und oft unbewusster Reproduktion ehemals nützlicher Lösungen. Für eine Entwicklung, die sich aber an der Zukunft ausrichtet, braucht es neue Handlungsweisen, die bewusst gestaltet werden müssen. Ja, das geht langsamer, manchmal ungelenk, fehlerbehafteter, mit ungewisserem Ausgang und muss deswegen immer wieder validiert werden. Zugleich ist die bewusste Auseinandersetzung damit, was wir tun, wie wir es tun und wozu unser Handeln führt und beiträgt, der einzige Weg um den Paradigmenwechsel von den Arbeitsroutinen in eine Wirksamkeit im Sinne des Auftrags.
von den Arbeitsroutinen in eine Wirksamkeit im Sinne des Auftrags
Mit ɪmpækt bringen wir genau diese Reflexionskompetenz ins System und das tun wir auf zwei Wegen. Mit Fortbildungen in Wirkungsorientierung befähigen wir Menschen, ihr Handeln selbst in den Blick zu nehmen und hinsichtlich ihrer eigenen Wirkungsziele auszurichten und Prioritäten zu setzen. Neue Anpacks kommen hierbei genauso in den Blick, wie bewährte Routinen. Die Kompetenz die eigene Wirksamkeit zu gestalten, bringt Innovation, Selbstvertrauen und gute Argumente ins System. Für komplexe Anliegen der Wirkungsmessung bieten wir Evaluationsdienstleistungen an, die es Verantwortlichen erlauben, mit empirischer Evidenz und kirchenentwicklerischer Kompetenz strategische Entscheidungen zu treffen.
Dr.in Miriam Zimmer, Soziologin und empirische Kirchenforscherin, Geschäftsführerin der ɪmpækt gUG, Leiterin des Zentrums für Pastorale Evaluation am zap (Ruhr-Universität Bochum).
Prof. Dr. Matthias Sellmann, Senior Advisor bei impaekt, Gründer und Leiter des Zentrums für angewandte Pastoralforschung (zap) und Lehrstuhlinhaber für Pastoraltheologie an der Ruhr-Universität Bochum.