Thomas Schüller mit einer kritischen Bilanz zum Synodalen Weg.
Der Synodale Weg als Antwort auf die in der MHG-Studie[1] identifizierten systemischen Ursachen für sexuellen Missbrauch biegt auf seine Zielgerade ein. Noch einmal tagt der Synodale Ausschuss im November 2025 in Fulda und im Januar 2026 die Synodale Versammlung in Frankfurt. Ob es ein Statut für die Synodale Konferenz auf Ebene der Bischofskonferenz geben wird, steht in den Sternen. Zu offenkundig sind die unüberbrückbaren episkopalen Widerstände gegen eine Beschlusskompetenz dieses Organs, die sie binden könnte. Hinzu kommt die offene Frage, wer die Gläubigen sein werden, die in diesem Organ mit beraten dürfen. Werden es hier mehrheitlich vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) entsandte Mitglieder sein, oder doch mehr Vertreter aus den diözesanen Pastoralräten? Wie steht es um die Gruppe derer, die wie die muttersprachlichen Gemeinden, fast immer durch das Sieb fallen, wenn es um Repräsentanz geht?
Will man verstehen, warum am Ende dieses langen Weges, flankiert von vielfältigen römischen Störsignalen und dem Ausstieg einer kleinen, aber wirkmächtig mit Rom vernetzten Gruppe von konservativen Bischöfen, im Grunde kein brauchbares Ergebnis steht, spielen folgenden Aspekte eine zentrale Rolle.
Stolpersteine – woran es hakt; was rechtlich nicht bindet, bleibt unverbindlich
Erstens wurde bewusst von Anfang an ein Statut für den Synodalen Weg verabschiedet, das die mit entsprechenden Mehrheiten gefassten Beschlüsse für rechtlich unverbindlich erklärt. Dies gilt sowohl für die Synodale Versammlung[2] wie auch den Synodalen Ausschuss[3]. Ganz bewusst wurde auf die im Kirchenrecht vorgesehene Rechtsfigur des Nationalkonzils nicht zurückgegriffen, deren Beschlüsse mit römischer Zustimmung am Ende alle Diözesanbischöfe binden. Damit war von Anfang der Webfehler kirchenrechtlich implementiert, der das ganze synodale Unterfangen zu einem rechtlichen Nullum[4] machte und die Beratungen zu einem inhaltlich meist gehaltvollen, von seiner Durchsetzbarkeit aber belanglosen Glasperlenspiel verkommen ließ.
Macht wird nicht geteilt
Zweitens wird dahinter das Thema der Macht[5] deutlich, der Elefant im Raum, die die Diözesanbischöfe faktisch nicht teilen wollen. Aber nicht nur sie, sondern auch die sie kurial stützenden mächtigen bischöflichen Behörden wie auch der Verband der Deutschen Diözesen (VDD), der keine Bereitschaft signalisiert, Gläubige über den kirchensteuerfinanzierten Haushalt beraten und entscheiden zu lassen. Wie sehr hier Veränderungen notwendig sind, lässt sich an den ohne Konsultation mit den Empfängerorganisationen verfügten Sparmaßnahmen des VDD ablesen.[6]
Diözesanbischof – ein Amt unter ekklesiologischem Artenschutz
Drittens leidet die Diskussion über ein synodales Organ auf Ebene der Bischofskonferenz an der bis heute ungeklärten theologischen wie kirchenrechtlichen Frage, wie es um das Verhältnis von Diözesanbischöfen zu ihren Bischofskonferenzen bestellt ist[7].[8] Es gehört zu den kirchenpolitischen Machspielen, dass in römischen Invektiven mit Verweis auf den Schutz der diözesanbischöflichen Vollmacht vor Gefahren einer überbordenden Kompetenzanmaßung nationaler Bischofskonferenzen gewarnt wird. Diese bis heute nicht geklärte verfassungsrechtliche Leerstelle wirkt sich auch auf den Synodalen Weg aus. In ungewohnter Eintracht sorgen sich römische Dikasterien wie eine größer gewordene Zahl deutscher Diözesanbischöfe um die Etablierung einer Synodalen Konferenz. Fragen werden gestellt: worüber soll dieses Gremium beraten? Wie ist die rechtliche Verbindlichkeit der in Form von Beschlüssen gemeinsam ermittelten Ergebnisse? Lange Zeit war vorgesehen, dass dieses neue Organ beraten und entscheiden sollte, allerdings wieder mit der bekannten Formel, dass diese Beschlüsse keinen Diözesanbischof binden können. Doch augenscheinlich war auch diese Absicherung den skrupulösen Bischöfen nicht ausreichend, um ihre Sorgen zu vertreiben. In einem Änderungsantrag des Ständigen Rates war plötzlich nur noch von beraten und Orientierung geben die Rede. Nach Rückmeldungen aus dem Kreis der Synodalen läuft es nun auf ein Modell zu, wie es im derzeit geltenden Statut für die Deutsche Bischofskonferenz kirchenrechtlich hinterlegt ist. Abstimmungen, bei denen die Bischofskonferenz keine rechtlich bindenden Beschlüsse treffen darf, sind unverbindlich. Setzt ein Bischof eine Empfehlung nicht um, muss er den Vorsitzenden darüber informieren.[9]
Momentan wird für die Synodale Konferenz an eine vergleichbare Lösung gedacht. Demnach würden die einzelnen Diözesanbischöfe die von der Synodalen Konferenz ausgesprochenen Empfehlungen mit ihren Gremien diskutieren. Gedacht wird an die diözesanen Pastoralräte oder den Zusammenschluss aller Gremien nach dem Rottenburger Modell[10]. Anschließend entscheidet der jeweilige Diözesanbischof, ob er die Empfehlung in seiner Diözese umsetzt oder ob er dem Präsidium der Synodalen Konferenz mitteilt, dass deren Empfehlung in seinem Bistum nicht realisiert wird. Weitergehend als im Statut der Deutschen Bischofskonferenz soll er dabei die Gründe darlegen wie die Beratungsprozesse in seinem Bistum dokumentieren Mit dem Instrument der Rechenschaftsablegung wird ein kirchenrechtlich noch nicht umgesetzter Baustein des Abschlussdokumentes der Bischofssynode aus 2024 eingepreist.[11]
Beraten ja, entscheiden nein
Viertens ist festzuhalten, dass am Ende des Synodalen Weges zum einen das Papier der Internationalen Theologenkommission[12] zur Synodalität[13] wie auch das Abschlussdokument der Bischofssynode die deutschen Pläne für eine verbindliche Beteiligung von Gläubigen an Entscheidungen auf römisches Normalmaß gestutzt haben. Kirchenrechtlicher Schlüssel ist die Unterscheidung von decision making and taking[14], wobei das Erstere die Beratung eines Gegenstandes durch die Gläubigen und das Zweite die alleinige Entscheidung des hierarchischen Amtes meint, das nach Beratung die alleinige Entscheidungsgewalt besitzt. Diese Unterscheidung perpetuiert die Dichotomie von Amt und Gläubigen und weist dem Ratschlag der Gläubigen keine rechtlich konstitutive Bedeutung zu.[15] Offen bleibt, ob die im Abschlussbericht der Bischofssynode geforderte Einholung des Rates gemäß c. 127 § 2 Nr. 2 CIC[16] auf Zukunft auch in pastoralen Fragen verpflichtend wird.
Die rechtlich verbindliche Implementierung von Zustimmung und Empfehlungen durch Organe, in denen Gläubigen den Bischöfen zuarbeiten, ändert in der bisherigen Form nichts an der Entscheidungsmacht der Bischöfe. Die Bischof Cyprian zugeschriebenen Sine-Formeln – nichts ohne den Bischof, nichts ohne den Klerus und nichts ohne die Gläubigen -, die in diesem Kontext als Ausdruck katholischer Synodalität bemüht werden, zementieren das Gefälle von hierarchischem Amt und Gläubigen. Michael Böhnke[17] geht hier einen Schritt weiter, wenn er das Kriterium „nicht ohne“ für nicht zureichend hält. „Es wäre durch das Kriterium „nicht gegen“ zu ergänzen, und zwar in dem Sinn, dass den Gläubigen nicht gegen deren Willen Lasten auferlegt werden, weil in geistlicher Unterscheidung die Vereinbarkeit von Spannungen und Widersprüchlichem (beschnitten – unbeschnitten) als Treue Gottes zu den Menschen aufzuscheinen vermag (Apg 15,8.19).“[18]
Ins Unermessliche gesteigerte Amtsgewalt von Päpsten und Diözesanbischöfen
Inwiefern die durch die vatikanischen Konzilien in jeweiliger Abhängigkeit ins Unermessliche gesteigerte Amtsgewalt von Päpsten und Diözesanbischöfen durch eine synodale Fortschreibung in verbindlichem kirchenrechtlichen Gewand eingehegt, dogmatisch also abgerüstet wird, bleibt abzuwarten. In diesem Kontext wäre es unabdingbar, nach den theologischen Reflexionen über den Glaubenssinn[19] (LG 12), seine theologische Dignität auch in belastbares Kirchenrecht zu überführen. Im Moment fristet der sensus fidei ein kümmerliches Dasein im Lehrrecht des kirchlichen Gesetzbuches. Er ist „unter Führung des heiligen Lehramtes“ (c. 750 CIC) zu einer passiv-responsorischen Bestätigungsfigur für das geworden, was das Lehramt der Kirche zu glauben vorlegt. Diese Diminuierung in der jüngsten Lehr- und Rechtsgeschichte beraubt den Glaubenssinn seiner eigenständigen Kraft, den Glauben je neu in der jeweiligen Zeit zu erkennen, fortzuschreiben und ihm zur Inkulturation zu verhelfen. Der Glaube der Kirche ist ja ein komplexer Vorgang mit einer Anzahl von eigenständigen Akteuren.
Jetzt oder nie: entweder springen die Bischöfe oder sie bleiben traurige Herrscher ohne Volk
Doch die Übersetzung dieser Komplexität in synodalrechtliche Normen harrt noch der Umsetzung. Darum endet der Synodale Weg an den Mauern bischöflicher Amtsgewalt. Die Bischöfe bleiben Herren der Gläubigen. Doch ist es längst einsam um sie herum geworden. Die faktische Akzeptanz ihrer doktrinären Akte und disziplinären Weisungen geht gegen null und evoziert nur noch Reaktionen bei den abhängigen Beschäftigten im kirchlichen Dienst. Von daher bleibt abzuwarten, ob es zum einen überhaupt zu einer Verständigung über eine Synodale Konferenz mit römischer Zustimmung auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz kommen wird, wer dann als Gläubiger bereit sein wird, unverbindlichen Rat und Orientierung zu geben und ob das ZdK dieses Ergebnis überhaupt mittragen und dennoch weiterhin in denen eigenen Spiegel der laikalen Selbstachtung blicken kann.
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Dr. Thomas Schüller, geb. 1961 in Köln, Studium der Kath. Theologie und Kirchenrechtswissenschaft in Tübingen, Innsbruck, Bonn und Münster. Nach Tätigkeit im Bistum Limburg seit 2009 Prof. für Kirchenrecht und zugleich Direktor des Institutes für Kanonisches Recht an der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Münster. Mitglied der Unabhängigen Aufarbeitungskommission für Fälle von sexuellem Missbrauch im Bistum Münster. Seit 2023 Mitglied des Synodalen Ausschusses.
[1] Vgl. https://www.zi-mannheim.de/fileadmin/user_upload/downloads/forschung/forschungsverbuende/MHG-Studie-gesamt.pdf; eingesehen am 01.10.2025.
[2] Vgl. https://www.synodalerweg.de/fileadmin/Synodalerweg/Dokumente_Reden_Beitraege/Satzung-des-Synodalen-Weges.pdf; eingesehen am 01.10.2025, Art. 11.
[3] Vgl. https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_alt/presse_2023/Satzung-des-Synodalen-Ausschusses.pdf; eingesehen am 01.10.2025, Art. 7 Abs. 6.
[4] Vgl. Thomas Schüller, Zu kirchenrechtlichen Fragwürdigkeiten des Synodalen Weges, in: Herbert Haslinger (Hg.), Wege der Kirche in die Zukunft: 50 Jahre nach Beginn der „Würzburger Synode“ (= Kirche in Zeiten der Veränderung, Bd. 9), Freiburg i. Br. 2021, 49-68.
[5] Vgl. Thomas Schüller, „Wir dienen doch nur“ – von opaker Macht in der Kirche und seinen kirchenrechtlichen Ausformungen, in: Diakonia 56 (3/2025), 152-157.
[6] Vgl. Thomas Schüller, Der VDD- das unbekannte Wesen (https://www.zkr.uni-muenster.blog/der-vdd-das-unbekannte-wesen/; eingesehen am 01.10.2025).
[7] Vgl. M. Seewald/T. Schüller (Hg.), Die Lehrkompetenz der Bischofskonferenz. Dogmatische und kirchenrechtliche Perspektiven, Regensburg 2020.
[8] Vgl. K. Winterkamp, Die Bischofskonferenz zwischen affektiver und effektiver Kollegialität, Münster 2003.
[9] Vgl. Art. 8 Abs. 3 iVm. Art. 14 DBK-Statut (https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/statut_24-09-02.pdf; eingesehen am 01.10.2025).
[10] Vgl. T. Schüller, Gemeinsam geht es besser – Synodalität schwäbisch und konkret, in: HK (71) 2017, 41-44.
[11] Ebd.
[12] Vgl. M. Graulich/J. Rahner (Hg.), Synodalität in der katholischen Kirche. Die Studie der Internationalen Theologischen Kommission im Diskurs ( = QD 311), Freiburg i.Br. 2020.
[13] Vgl. https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/cti_documents/rc_cti_20180302_sinodalita_ge.html; eingesehen am 01.10.2025.
[14] Vgl. ebd. Nr. 69.
[15] Vgl. hierzu kritisch J. Knop, Communio hierarchica – communicatio hierarchica. Synodalität nach römisch-katholischer Façon, in: M. Graulich/J. Rahner, Synodalität (Anm. 13), 153-169.
[16] Vgl. Anm. 13, dort die Nr. 91.
[17] Vgl. https://www.katholisch.de/artikel/64576-mit-synodaler-weitsicht-zu-einer-dezentralen-kirche; eingesehen am 01.10.2025.
[18] Ebd.
[19] Vgl. A. Slunitschek, Der Glaubenssinn. Begründung – Beschreibung – Beurteilung – Beziehungen, Innsbruck 2025.