Zum Ausklang eines Pontifikats für die Schöpfung verfasst Klaus Vellguth einen Nachruf auf den „grünen Papst“.
Am Ostermontag des Heiligen Jahres 2025, das er unter das Motto „Pilger der Hoffnung“ gestellt hatte, verstarb Papst Franziskus. Der Papst aus Lateinamerika hat in seinem zwölfjährigen Pontifikat (2013-2025) wesentliche weltkirchliche und sozialethische Akzente gesetzt. Wie kein Papst vor ihm war er ein Mahner angesichts der Klimakrise und des Verlustes an Biodiversität und engagierte sich für einen religionsverbindenden Einsatz für die Schöpfung.
religionsverbindender Einsatz für die Schöpfung
Bereits im dritten Jahr seines Pontifikats veröffentlichte Papst Franziskus im Mai 2015 seine Umweltenzyklika „Laudato si’“[1], in der er die Vision einer Ökonomie aufzeigt, die ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit integriert. Bereits in der Apostolischen Exhortation „Evangelii Gaudium“ hatte der „grüne Papst“ in scharfer Form eine neoliberale Wirtschaftsordnung als lebensfeindlich kritisiert und sprach von einer „Wirtschaft, die tötet“[2]. In „Laudato si’“ rückte er das Prinzip der Nachhaltigkeit ins Zentrum und forderte eine globale Wirtschaftsordnung, die gerechtere Verteilung von Ressourcen wie Wasser, Atmosphäre, Bodenschätzen und Wäldern gewährleistet.
Der Veröffentlichungszeitpunkt der Umweltenzyklika „Laudato si’“ war von Papst Franziskus strategisch gewählt und zeigt, dass er ein politisch denkender Papst war: Die Publikation des Schreibens folgte unmittelbar auf den G7-Gipfel im Juni 2015, bei dem sich führende Industrienationen auf eine Dekarbonisierung der Weltwirtschaft verständigten, und lag zugleich vor der Verabschiedung der UN-Nachhaltigkeitsziele (September 2015) sowie der UN-Klimakonferenz in Paris (Dezember 2015). Insbesondere im Hinblick auf die Konferenz in Paris sollte die Enzyklika rechtzeitig erscheinen, um Einfluss auf die internationale Klimapolitik zu nehmen.
ein politisch denkender Papst
Der Papst verband in seiner Umweltenzyklika ökologische Verantwortung mit dem Gedanken der inter- und intragenerationellen Gerechtigkeit. Besonders betonte er die Inkompatibilität marktwirtschaftlicher Mechanismen mit dem Schutz gemeinschaftlicher Umweltgüter: „Die Umwelt ist eines jener Güter, die die Mechanismen des Markts nicht in der angemessenen Form schützen oder fördern können.“ (LS 190) Papst Franziskus erkannte, dass der Markt allein die Umweltprobleme nicht lösen wird, weshalb wirtschaftliches Handeln nicht zulasten künftiger Generationen oder Dritter erfolgen dürfe. Mit seiner Argumentation befand er sich so sehr auf der Höhe der Zeit, dass die Enzyklika auch in führenden naturwissenschaftlichen Fachzeitschriften positiv rezipiert wurde.
Ein zentraler Aspekt der Enzyklika „Laudato si‘“ ist die kritische Auseinandersetzung mit einem letztlich lebensfeindlichen Menschenbild. Franziskus problematisierte eine theologisch und ökologisch inadäquate Überhöhung des Menschen gegenüber der restlichen Schöpfung. In seiner Interpretation biblischer Traditionen lehnte er einen „despotischen Anthropozentrismus“ ab und betont die Mitgeschöpflichkeit aller Lebewesen. Besonders bemerkenswert ist seine Bezugnahme auf die Formel vom „Strahl der unendlichen Weisheit und Güte Gottes“, die aus der Erklärung „Nostra aetate“ stammt und damit indirekt der gesamten Schöpfung eine offenbarungstheologische Würde zuschreibt. Franziskus kritisierte in diesem Zusammenhang, dass moderne Ideologien die technische Rationalität über die Wirklichkeit stellen und den Eigenwert der Welt verkennen. In der Folge komme es zu einer „anthropozentrischen Maßlosigkeit“ und einer Fehlinterpretation christlicher Anthropologie, die eine „falsche Auffassung der Beziehung des Menschen zur Welt“ begünstige. Er wies zudem auf die Verknüpfung zwischen einem anthropozentrisch geprägten Weltbild und einem konsumistischen Lebensstil hin, bei dem kurzfristige Eigeninteressen dominieren und langfristige Umwelt- sowie Sozialfolgen ignoriert werden.
Fehlinterpretation christlicher Anthropologie
Papst Franziskus warb für einen interreligiösen und interkulturellen Dialog zur Bewahrung der Schöpfung (LS 210). Angesichts der Tatsache, dass ein Großteil der Weltbevölkerung religiös geprägt ist, forderte Franziskus die Religionen auf, gemeinsam Verantwortung für die Natur und soziale Gerechtigkeit zu übernehmen. Diesen Appell konkretisierte er 2019 im „Dokument über die Geschwisterlichkeit aller Menschen“[3], das er gemeinsam mit dem Großimam Ahmad Mohammad Al-Tayyeb unterzeichnete. Darin wird aus dem gemeinsamen Glauben an einen barmherzigen Schöpfer die Pflicht abgeleitet, die Würde aller Menschen zu achten und die Schöpfung zu bewahren – insbesondere im Hinblick auf die Bedürfnisse der Schwächsten.
Auch als der Papst aus Lateinamerika im Folgejahr das nachsynodale Schreiben Querida Amazonia veröffentlichte, setzte er einen schöpfungstheologischen Akzent, als er bereits eingangs eine seiner Visionen für Amazonien beschrieb: „Ich träume von einem Amazonien, das die überwältigende Schönheit der Natur, die sein Schmuck ist, eifersüchtig hütet, das überbordende Leben, das seine Flüsse und Wälder erfüllt.“ (QA 7) Doch auch wenn Papst Franziskus unermüdlich für eine ökologische Kultur warb, war ihm bewusst, dass die Welt trotz der Dringlichkeit einer ökologischen „großen Transformation“ kaum ins Handeln kommt. Der Ausbruch der Corona-Pandemie sowie der russische Angriff auf die Ukraine verdrängten fatalerweise die zukunftsentscheidende Umweltkrise aus dem öffentlichen Bewusstsein. Noch dazu wurde es in rechtspopulistischen Kreisen salonfähig, wissenschaftlich gesicherte Fakten zur Klimakrise wider besseres Wissen zu leugnen. Und so wandte Papst Franziskus sich im Jahr 2023 erneut mit einem Schreiben an die Öffentlichkeit. Ähnlich wie acht Jahre zuvor bei Laudato si‘ war auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung von „Laudate Deum“[4] im Jahr 2023 politisch motiviert. Das Schreiben erschien im Vorfeld der UN-Klimakonferenz, die Ende November in Dubai begann. Papst Franziskus hatte ursprünglich geplant, persönlich in die Vereinigten Arabischen Emirate zu reisen, musste seine bereits angekündigte Reise jedoch aus gesundheitlichen Gründen absagen. In „Laudate Deum“ setzte sich der Papst erneut kritisch mit einer anthropozentrischen Kultur auseinander und betonte, dass menschliches Leben ohne andere Lebewesen weder verstehbar sei noch aufrechtzuerhalten. Alle Geschöpfe seien durch unsichtbare Bande verbunden und bildeten eine universale Familie, die zu Respekt und Demut aufrufe. Mit seinem Schreiben ging es Papst Franziskus nicht um eine theoretische Erklärung von Wirklichkeit, sondern um deren Veränderung. Gerade weil menschliches Verhalten kulturell geprägt ist und ökologische Herausforderungen oft als übermächtig wahrgenommen werden, hob Papst Franziskus die kulturelle Dimension des Handelns hervor und betonte die Notwendigkeit eines kulturellen Wandels. Wie schon in „Laudato si’“ ermutigte Franziskus zu einem Engagement der kleinen Schritte.
Menschliches Leben sei ohne andere Lebewesen weder verstehbar noch aufrechtzuerhalten.
Bis zu seinem Tod hat Papst Franziskus seine Stimme immer wieder erhoben, um auf die ökologischen Herausforderungen hinzuweisen. Auf einer seiner letzten Auslandsreisen, die Papst Franziskus im vergangenen September 2024 unter anderem nach Indonesien führte, unterzeichnete er in Jakarta gemeinsam mit dem Großimam Nasaruddin Umar die Erklärung von Istiqlal[5], in der die beiden Religionsführer den Missbrauch der Schöpfung anprangerten, auf den menschengemachten Klimawandel hinwiesen und zu einem religionsverbindenden Engagement für die Schöpfung aufriefen.
Am 21. April 2025 verstarb Papst Franziskus, der als erster Bischof von Rom den Namen des großen Heiligen Franziskus angenommen und in den dreizehn Jahren seines Pontifikats die Sensibilität des Heiligen aus Assisi für alle Kreaturen und dessen Bewunderung für die Schöpfung neu akzentuiert hat. Wie kein anderer Papst vor ihm hat er als „grüner Papst“ auf die Ökokrise zu Beginn des dritten Jahrtausends aufmerksam gemacht. Als Pilger der Hoffnung war er bis zuletzt unterwegs, um den Unheilspropheten einer apokalyptischen Endzeit seinen prophetischen Aufruf zum Handeln entgegenzustellen. Immer wieder ermutigte er zum Handeln. Weil Resignation doch so einfach und Engagement hingegen so anstrengend sein kann. Doch Papst Franziskus warb für ein unermüdliches Engagement. Und so ist es nun ein Vermächtnis an die Christ:innen und alle Menschen, dass Papst Franziskus wenige Wochen vor seinem Tod das Motto des Gebetstag um die Bewahrung der Schöpfung im Jahr 2025 festgelegt hat. Franziskus rief dazu auf, „Samen des Friedens und der Hoffnung“[6] zu sein.
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Klaus Vellguth, Dr. theol. habil. Dr. phil. Dr. rer. pol., ist Professor für Pastoraltheologie an der Theologischen Fakultät Trier und daneben Honorarprofessor für Missionswissenschaft an der VPU Vinzenz Pallotti University sowie Schriftleiter der pastoraltheologischen Fachzeitschriften „Diakonia“ und „Anzeiger für die Seelsorge“.
[1] Papst Franziskus, Enzyklika Laudato siʼ über die Sorge für das gemeinsame Haus. Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 202, hg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2015; im Folgenden abgekürzt mit LS.
[2] Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben „Evangelii gaudium“ des Heiligen Vaters Papst Franziskus an die Bischöfe, an die Priester und Diakone, an die Personen geweihten Lebens und an die christgläubigen Laien über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute, 24. November 2013, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Nr. 194, Bonn 2013, Nr. 53.
[3] https://www.vatican.va/content/francesco/de/travels/2019/outside/documents/papa-francesco_20190204_documento-fratellanza-umana.html (Zugriff am 21. April 2025)
[4] Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben Laudate Deum von Papst Franziskus an alle Menschen guten Willens über die Klimakrise. Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 238, hg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2023.
[5] https://www.vaticannews.va/de/welt/news/2024-09/wortlaut-gemeinsame-erklarung-von-istiqlal-2024-interreligioes.html (Zugriff am 21. April 2025)
[6] https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2025-04/schoepfung-welttag-gebet-papst-franziskus-motto-frieden-laudato.html (Zugriff am 21. April 2025)
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