Ulrike Bechmann sieht in drei Jubiläen christlicher Frauen, die Ende März in Sibiu/Hermannstadt in Rumänien begangen wurden, einen Lernort der Hoffnung.
50 – 30 – 25 Jahre: Ende März feierten christliche Frauen in Sibiu/Hermannstadt gleich drei „runde“ Jubiläen. Vor 50 Jahren begann der ökumenischen Weltgebetstag der Frauen in Rumänien, die Frauenarbeit in der Evangelischen Kirche A.B. (EKR) in Rumänien wurde vor 30 Jahren gegründet und vor 25 Jahren schließlich als Werk der EKR anerkannt. Genauso bemerkenswert: Vor 31 Jahren wurde auch die Frauenordination von der Landeskirchenversammlung (Synode) beschlossen. Einen großartigen Festtag beging die Evangelische Frauenarbeit mit Gästen aus den Kirchen, Frauen aus Nachbarländern und Partnerinnen-Organisationen in der evangelischen Stadtpfarrkirche und im Festsaal im Bischofshaus in Sibiu. Der eigens gebildete Projektchor „Einklang“ von zwölf Kantorinnen der evangelischen Gemeinden schloss mit einem Konzert mit Stücken ausschließlich weiblicher Komponistinnen die Feiern ab.
Sie stellten aktive und selbstbewusste Frauen in Rumänien der verschiedenen Kirchen in den Mittelpunkt.
Diese Jubiläen waren in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Sie waren ein Lernort für Hoffnung in schwierigen Zeiten, sie hoben unscheinbare Anfänge ins Gedächtnis, die völlig unerwartet Wirkung zeigten, sie stellten aktive und selbstbewusste Frauen in Rumänien der verschiedenen Kirchen in den Mittelpunkt, die gegen viele Widerstände mit Resilienz, Solidarität, Vertrauen in Gott, Vernetzung und Kreativität ihre Überzeugungen verfolgten. Trotzdem: Selbstverständlich war und ist das alles nicht; ob und was sich noch ergibt, bleibt offen, Scheitern liegt immer im Rahmen der Möglichkeiten. Umso intensiver kann gefeiert werden.
Weltgebetstag – Vier Frauen am Anfang
Eine solche unglaubliche Geschichte ist die des ökumenischen Weltgebetstags der Frauen in Rumänien. Vier Frauen begannen vor 50 Jahren mit dem Weltgebetstag der Frauen. Die deutsche Frau des Bischofs Klein, Maria Klein, lud drei Frauen zu sich ins Wohnzimmer ein, um den Gottesdienst zum Weltgebetstag der Frauen zu beten. Diesen hatte vermutlich Else Müller aus Stein mitgebracht. Kissen auf dem Telefon und dort, wo noch Mikrofone vermutet wurden, geflüsterte Informationen (es war die Zeit der Securitate). Zu „Take Courage!“ schrieben Frauen aus Ägypten, Philippinen, Indien, Jamaika und den USA den Gottesdienst. So begann der Weltgebetstag der Frauen in Rumänien. Ab 1975 konnte man einen Gottesdienst anmelden, die Vorbereitungen aber waren verboten und fanden auf „Erholungstreffen“ der Pfarrfrauen statt. Helga Pitters, fast 95jährig, erzählte sehr lebendig von den schwierigen Anfängen des Weltgebetstags in der kommunistischen Zeit mit heimlichen Treffen.
Die Frauen gingen den Weg der Veränderung.
Der Kontext in Rumänien für ökumenische Arbeit ist bis heute intersektional: nicht nur verschiedene Kirchen und Kulturen, sondern auch verknüpft mit unterschiedlichen Sprachen und Traditionen. Evangelisch-deutsch, orthodox-rumänisch, katholisch-rumänisch oder ungarisch, reformiert-ungarisch. Und doch gelang ab 1995 der Aufbau eines ökumenischen Komitees, das mit der Liturgie zum Weltgebetstag 2002 beauftragt wurde.
Wer hätte vor 50 Jahren auch nur einen Leu gewettet, dass diese vier Frauen einen Anfang setzen? Ihr gemeinsames heimliches Beten von Worten aus fremden Ländern und Flüstern neuer Informationen brach Abgeschlossenes auf und knüpfte sich ein in ein weltweites Gebetsnetz. Einen Spalt schaffen für Neues, bereit zur Veränderung, bereit, etwas anderes zu hören und sich damit auseinanderzusetzen – dieser Spalt vergrößerte sich immer mehr und die Frauen gingen den Weg der Veränderung.
Wege entstehen im Gehen – die Evangelische Frauenarbeit
Wege entstehen im Gehen – mit diesem Titel der Jubiläumsschrift zum Beschluss der Ordination von Frauen vor 31 Jahren[1] wird an den Lebensbildern klar: Nur Schritt für Schritt eröffneten sich im Lauf der Zeit Wege, die nicht gebahnt waren. Das gilt auch für heute. Ob solche Schritte im Nichts enden, weiß man nicht, es gibt keine Garantie für Erfolg. Aber solche Jubiläen heben sie ins Gedächtnis. Sie machen die Frauen sichtbar, zeigen, wer und wie sie Wege bahnten. Sie markieren, was wichtig war und für die Zukunft wichtig sein kann. Die grenzüberschreitenden Vernetzungen etwa im Weltgebetstag schufen widerständige Fenster zur Welt, als Rumänien zum Ostblock gehörte. Nach dem Fall der Sowjetunion stützten sie die notwendige Aufbauarbeit. Ohne diese Vernetzungen wäre es noch schwerer gewesen, die ökumenische Arbeit und die Evangelische Frauenarbeit aufzubauen und durchzutragen. Die internationale Präsenz von Frauen am Jubiläumstag würdigte diese Leistung, sie bestätigte die Ausstrahlung solcher Jubiläen und die Solidarität.
„Es hatte auch etwas Gutes, dass die Räume leer waren. So konnten auch diejenigen etwas tun, die nicht zu den bisher dominanten Familien gehörten.“
Nach der Wende reisten viele Menschen insbesondere aus Siebenbürgen aus. Diejenigen, die blieben, sahen sich mit leeren Räumen, zerbrochenen sozialen Zusammenhängen der Familien, der Nachbarschaften und Freundschaften konfrontiert. Die Zeit war von Unsicherheit und Untergangsangst geprägt. Sich öffnen für andere Menschen war einer der Schritte, der die Evangelische Kirche in Siebenbürgen überleben ließ. So trafen sich vor 30 Jahren 111 Frauen, um die Frauenarbeit in der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien zu gründen. Ihnen war wichtig, als Werk der Kirche und nicht als ein eigener Verein zu existieren. Fünf Jahre dauerte es, bis die Frauen den Antrag schließlich durchbekamen, ein Grund, die 25 Jahre zu feiern.
Aber wie nach der Wende weitergehen? Der Raum war einerseits leer, er war andererseits auch verheißungsvoll offen, offen für Neues, Ungewöhnliches, neue Menschen, neue Ideen. „Ohne diese Öffnung wären wir heute nicht mehr existent“. Eine Stimme sagte: „Es hatte auch etwas Gutes, dass die Räume leer waren. So konnten auch diejenigen etwas tun, die nicht zu den bisher dominanten Familien gehörten.“ Frauen begannen zu schauen, wer im Ort noch etwa im gleichen Alter war, egal welche Konfession oder überhaupt kirchlich. „Wir luden diese Frauen ein, um gemeinsam das bearbeiten, was uns alle bewegte.“ Wie schwer ein Perspektivwechsel ist, sich gegen depressive Umstände aufzuraffen, kreativ zu werden, wissen alle, die mit sinkender Beteiligung in kirchlichen oder sozialen Projekten und Initiativen zu kämpfen haben.
Erinnerung arbeitet an der Identität
Bei solchen Jubiläen geht es nicht nur um den Rückblick auf die Ökumene der Frauen und die evangelische Frauenarbeit allein, sondern um die Erinnerung als Fundament jeder Gesellschaft und Gemeinschaft. Wer sich erinnert, arbeitet an der Zukunft, denn Erinnerung stiftet Identität. Dieser Prozess zur Bildung des „kulturellen Gedächtnisses“ (Jan Assmann) schält heraus, was als erinnerungswürdig ausgehandelt wird.
Jubiläen der Frauengemeinschaften machen bewusst und sichtbar, dass die Kirchen nie ohne das wesentliche Engagement von Frauen ausgekommen sind.
Jede Geschichtsschreibung ist geprägt von der politischen, kulturellen, sozialen Vision der Zukunft. Diese kann sich ändern, wenn neue politische Kräfte die Oberhand gewinnen. Sie werden immer die Art der Erinnerung verändern, wie man gerade in den USA beobachten kann. Entsprechend gilt das auch für die Kirchen. Jubiläen der Frauengemeinschaften machen bewusst und sichtbar, dass die Kirchen nie ohne das wesentliche Engagement von Frauen ausgekommen sind. Bleibt dies im Gedächtnis und prägt es so die Zukunft? Eine Ausstellung mit Protokollen, Bildern, Produkten und Programmen der Frauenarbeit füllte zwei Räume. Aber es gab kein Foto der Gründerinnen, was 30 Jahre später nachgeholt wurde: Helga Pitters, Dr. Sunhild Galter, Ilse Philippi, Dr. Gerhild Rudolf.
Auch für die Frage des Amtes und der Weihe bzw. Ordination von Frauen ist die Erinnerung an die Ämter der Frauen am Beginn der Kirche wichtig, an das Zurückdrängen, das die Ausgrenzung in der Folgezeit essentiell machte. Gegenerinnerungen hat die feministische (und nicht nur sie) Theologie inzwischen etabliert – sie fruchtbar zu machen, gelang vor 31 Jahren in der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien. Die erstmals dokumentierten Erinnerungen der Frauen in der Festschrift werden in der Zukunft weitergeschrieben. Drei Pfarrerinnen, eine Gemeindepädagogin, eine Diplomtheologin leiteten einen wunderbaren Frauengottesdienst in der Stadtpfarrkirche und setzten so ein Zeichen für die Zukunft.
Und doch lässt sich erzählen und lernen: Einfach tun, was richtig und notwendig ist, trotz alledem!
Wege entstehen im Gehen! Diese Jubiläumsfeiern haben mich berührt, denn die Geschichte und Geschichten der rumänischen Frauen lehren Hoffnung. Denn nichts deutete in ihren Anfängen auf Erfolg, auf Dauer oder gar Durchsetzung und Anerkennung ihrer Interessen. Es war sogar gefährlich
Macht sich nicht gerade gegenwärtig das Gefühl breit, gegen all das Erschreckende, Macht- und Gewaltvolle und gegen die Verachtung von Empathie käme man nicht an? Und doch lässt sich erzählen und lernen: Einfach tun, was richtig und notwendig ist, trotz alledem! Jeder einzelne Schritt kann Veränderung bringen. Wenn in einer Diktatur vier Frauen durch ein heimliches Gebetstreffen eine Bewegung schaffen, ohne das zu wissen, wer weiß, welche Richtungen Wege nehmen, wenn man irgendwo einen ersten Schritt setzt. Gelingen ist nicht garantiert. Aber diese Geschichten rumänischer Frauen lehren: Ohne Mittel, nur auf sich selbst und auf Gott vertrauend, offen für Neues und für Veränderung, gibt es heute in Rumänien ein ökumenisches Weltgebetstagskomitee, war Rumänien 2002 Weltgebetstagsland, prägen seit 30 Jahren Pfarrerinnen und andere haupt- und ehrenamtliche Frauen die Evangelische Kirche und die Ökumene der Frauen. Abzusehen war das alles nicht. Chapeau!
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Dr.in Ulrike Bechmann ist Professorin für Religionswissenschaft i.R. an der Universität Graz. Sie ist mit den rumänischen Frauen seit ihrer Zeit als Geschäftsführerin und Theologische Referentin des Deutschen Weltgebetstagskomitees (1989-1999) bis heute verbunden.
Beitragsbild: Copyright Beatrice Ungar (Die vier Gründerinnen der Frauenarbeit, Jubiläumsfeier in Sibiu/Hermannstadt, Rumänien)
Kontakte: weltgebetstag@evang.ro ; www.frauenarbeit.ro
[1] Dörr, Elfriede (Hg.), Wege entstehen im Gehen. Festschrift zu 30 Jahre Ordination der Frauen in der Evangelischen Kirche A.B, in Rumänien, Curs 2024. Hier erzählen Frauen von ihren Wegen in der Theologie.