Tim Zeelen über eine Studie, die erkundet, welche Erwartungen Paare auf dem Weg zur Hochzeit an kirchliche Begleitung haben.
„Vor Gott“. Dieser Ausdruck „erscheint in all seiner Schlichtheit als entscheidendes Motiv für die kirchliche Trauung“ (152), resümiert die Pastoraltheologin Katharina Karl die Aussagen von Paaren, die im Zuge des Forschungsprojekts „Zur Ehe berufen“ interviewt worden sind. Das klingt doch für eine kirchliche Ehevorbereitung erstmal vielversprechend! Zumal sie ein großer Gewinn für die Paare sein kann, denn wie Karl ebenso schreibt: „Die Ehevorbereitung bietet für Paare einen Raum, den es sonst nicht einfach gäbe, um den Schritt in all seinen Konsequenzen gemeinsam zu reflektieren.“ (151)
„Vor Gott“ als entscheidendes Motiv
Aber finden sich Paare mit ihren Wünschen und Erwartungen in der katholisch-kirchlichen Ehevorbereitung wieder? Wie sehen die Formate zur Ehevorbereitung aus und wie werden sie von den Paaren wahrgenommen? In welchem Verhältnis dazu stehen die kirchliche Theorie zur Ehe und Praxis der Ehevorbereitung? Diesen und weiteren Fragen ist das Forschungsprojekt „Zur Ehe berufen“ nachgegangen, das mit dem Untertitel sein Programm angibt: „Eine empirisch-theologische Analyse kirchlicher Ehevorbereitungsangebote“.[1] Nun ist hierzu der Sammelband „Kirchlich heiraten. Was Paare erwarten und wie Kirche begleiten kann“ erschienen.
Es ist eine Seltenheit, dass theologische Forschungen mit einer empirischen Erhebung in Kooperation mit Akteur:innen aus der Pastoral verbunden werden. Wie die Herausgeber Rupert M. Scheule und Klaus Stüwe beschreiben, wurde das Projekt von den Bischöfen Eichstätts (Gregor Maria Hanke), Regensburgs (Rudolf Voderholzer) und Passaus (Stefan Oster) angeregt, um unter dem Eindruck des nachsynodalen Schreibens Amoris laetitia (2016) die Ehevorbereitung in ihren Bistümern zu evaluieren und weiterzuentwickeln. Verantwortet wurde die Studie vom Lehrstuhl für Moraltheologie der Universität Regensburg und vom Zentralinstitut für Ehe und Familie in der Gesellschaft an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Die empirische Erhebung fand einerseits in Form einer quantitativen Erhebung und andererseits in Form qualitativer Interviews statt. Um einen internationalen Vergleich zu den Formaten der Ehevorbereitung ermöglichen, wurden außerdem Personen aus anderen Ländern (u. a. USA, Korea, Polen) interviewt, die in diesem Bereich tätig sind.
passend zu selbstkritischen Tönen gegenüber einer zu abstrakten, idealisierenden oder auf Normen fixierten kirchlichen Verkündigung
Bemerkenswert ist aus meiner Sicht das Projekt zunächst für sich. In seinem induktiven Ansatz entspricht es dem Anliegen von Amoris laetitia und den beiden vorangegangenen Bischofssynoden, die erstmalig mit einer umfassenden Befragung der Ortskirchen verknüpft waren. Auch das nachsynodale Schreiben von Papst Franziskus wurde von vielen für seine Alltagsnähe in Sprache und Inhalt gewürdigt, ebenso wie für seine selbstkritischen Töne gegenüber einer zu abstrakten, idealisierenden oder auf Normen fixierten kirchlichen Verkündigung zu den Themen Ehe und Familie (allerdings ohne explizit die offizielle kirchliche Lehre inhaltlich an diesem oder jenem Punkt anzutasten).
Ähnliche Linien finden sich in den Überlegungen zur Studie, die auch immer wieder explizit reflektiert werden. Durchgängig begleitend ist die Spannung zwischen der kirchlichen Deutung der Ehe – nicht zuletzt in Verbindung mit dem Begriff des Sakraments – und den Vorstellungen der Paare. Explizit ist das Thema der Ehe als Sakrament kaum von Interesse für viele Paare (vor wie nach der kirchlichen Ehevorbereitung). Das heißt nicht, dass es keine religiösen Motive gibt. Die Entscheidung zur kirchlichen Trauung ist durchaus bewusst und keineswegs alternativlos. Den Paaren geht es dabei vor allem um die offizielle und öffentliche Bezeugung der (i.d.R. schon mehrere Jahre mit gemeinsamem Haushalt gelebten) Partnerschaft als lebenslanges Versprechen vor Angehörigen und Gott, der auch als Helfer für die Treue angesehen wird. Dass die Partner:innen in ihrem Eheleben gegenseitig und gemeinsam Zeichen der Liebe Gottes sind bzw. sein sollen, kommt aber nicht in den Blick.
öffentliche Bezeugung der Partnerschaft als lebenslanges Versprechen vor Angehörigen und Gott
Wie nun mit dieser Spannung umgehen? Wie Annemie Dillen in ihrem Beitrag skizziert, gibt es zwei mögliche Sichtweisen: Die erste sieht ein Glaubensdefizit auf Seiten der Paare, dem es durch engagierte Katechese, vor allem durch Vermittlung von Glaubenswissen, beizukommen gelte. Die zweite betrachtet die Ehevorbereitung als diakonischen Dienst an den Brautleuten, der an sich wertvoll ist. Damit verbunden ist außerdem eine epistemische Option für das Alltägliche: Hier ist anzuknüpfen und ‚das Religiöse‘ zu suchen und kritisch die theologische Theorie zu bedenken, die sich nicht für den Alltag und die Erfahrungswelt anschlussfähig zeigt. Es geht dabei also keineswegs um ein Ausklammern der religiösen Dimension.
Ehevorbereitung als diakonischer Dienst
Die Beiträge des Sammelbandes tendieren zur zweiten Perspektive. Es sollte darum gehen, die in der alltäglich gelebten Paarbeziehung verankerten Erwartungen der Brautleute aufzunehmen, Ressourcen der Ausgestaltung im Glauben anzubieten und auf diese Weise einen Zugang zum Verständnis von Sakramentalität zu ermöglichen. „Wenn der sakramentale Charakter der Ehe nicht von selbst als wesentlich empfunden wird, stellt sich die Frage, wie er erfahrbar gemacht werden kann – ohne dass die Ehevorbereitung an den Bedürfnissen und der Selbstwahrnehmung der Paare vorbeigeht.“ (Antonio Zierer/Simon Heimerl/Hannah Kneidl, 228)
Hierzu zählt etwa der Appell, dem Hochzeitstag insgesamt Aufmerksamkeit zuzuwenden und die Hochzeitsliturgie nicht von den nachfolgenden Feierlichkeiten isoliert zu betrachten. So wird etwa vorgeschlagen, im Sinne einer „adventischen ‚Theologie der Vorbereitung‘“ (Rupert Scheule) die von den Paaren als anstrengend, aber zugleich als beglückend erlebte Vorbereitungszeit auf das Hochzeitsfest einzubeziehen und zu begleiten. Das verlangt nach Tiefe ermöglichenden Formaten, die eine für die Paarbeziehung als gewinnbringend empfundene Implementierung der kirchlichen Ehevorbereitung in den ohnehin schon stressigen Alltag ermöglichen und diesen einbeziehen. Das unterstreichen nicht zuletzt Zierer, Heimerl und Kneidl in ihrem den Band beschließenden Beitrag.
dem Hochzeitstag insgesamt Aufmerksamkeit zuwenden
Es gäbe noch viele weitere Vorschläge und Aspekte in den Beiträgen, die eine Diskussion wert sind. Dazu kann nur auf die Lektüre verwiesen werden. In seinem Zuschnitt findet sich im Sammelband sowohl etwas für verschiedene Disziplinen der Theologie als auch für in der Pastoral tätige Personen. Gleichzeitig bleibt zu wünschen, dass noch ausführlichere Darstellungen und Auswertungen folgen, um Design und Ergebnisse des Forschungsprojekts einer kritischen Bewertung und Diskussion zugänglich zu machen. Manches bleibt nur begrenzt nachvollziehbar, wie etwa die Zusammensetzung der Befragten aus den unterschiedlichen Bistümern oder die Auswahl der Interviewpartner für den qualitativen Studienteil.
Konzepte kritisch zu prüfen und, wenn nötig, grundlegend zu überarbeiten
Spannend wird bleiben, was aus dem Projekt in der Praxis folgt und ob dies ebenso durch eine empirisch-theologische Forschung begleitet wird. Die ‚jungen Theolog:innen‘ Zierer, Heimerl und Kneidl jedenfalls „hoffen bei den Verantwortlichen auf den Mut, ihre Konzepte kritisch zu prüfen und, wenn nötig, grundlegend zu überarbeiten“ (232).
[1] Auf feinschwarz.net trat das Projekt bereits 2022 in einem Beitrag von Alexander Lindl in Erscheinung: https://www.feinschwarz.net/braucht-die-ehe-sakramentalitaet/
Tim Zeelen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Moraltheologie, Universität Augsburg. Für seine Promotion befasste er sich mit der Frage, ob und inwiefern die Ehe als Berufung gedacht werden kann.