Der Alltag und das politische Weltgeschehen überfordern viele. Paula Schütze schreibt über das Lebensmotto ihrer eigenen Generation: „It is what it is“.
Nachrichten lesen oder schauen erscheint dieser Tage zunehmend bedrückend, zwischen Krieg in Ost und Nahost, Unberechenbarkeit von Westen her, rechter Radikalisierung von überall her und dem, was sonst noch so anfällt, bietet nicht mal mehr der Wetterbericht eine Atempause, denn unaufgeregt, aber beständig erinnert er an die Klimakrise. Das allein ist keine nennenswerte Beobachtung (und auch keine neue), sondern eher eine alltägliche Erfahrung. Sie hat auch etwas damit zu tun, dass ‚schlechte Nachrichten‘ ihrer Dringlichkeit wegen den größten Raum in der Berichterstattung der gängigen Nachrichtenorgane einnehmen. Dann kommt dazu noch der sogenannte Negativity Bias, der dazu führt, dass sich die ‚schlechten Nachrichten‘ am stärksten in unser Gedächtnis einbrennen – was ursprünglich mal als evolutionärer Vorteil begann, führt heute dazu, dass man die Zeitung zuschlägt oder die Tagesschau-App schließt und das Gefühl hat, eine Bewältigungsstrategie für die Auswirkungen dieser Alltagstätigkeit zu brauchen.
Diskursspuren der Gen Z
Die Generation Z, also grob zusammengefasst Menschen, die um die Jahrtausendwende herum geboren sind, scheint eine solche Bewältigungsstrategie für sich entdeckt zu haben. Viele meiner Altersgenossen nutzen, wie auch ich selbst, gerne das Mantra „It is what it is“ – Es ist, wie es ist. Wenn man Diskursspuren der Gen Z finden will, schaut man am besten ins Internet, also in den Raum, in dem die sogenannten Digital Natives einen großen Teil ihrer Sozialisierung erleben und selbst mitgestalten. Hier, genauer gesagt in den sozialen Medien, findet man allerhand Zeugnisse der It is what it is-Philosophie. Zuhauf findet man beispielsweise Memes[1], die den Topos aufgreifen: In der Regel sind das Bilder, die eine resigniert bis niedergeschlagen wirkende Person zeigen, versehen mit einer Unterschrift nach dem Muster „Me saying ‚It is what it is‘ after going through the most traumatic experience of my life“. Sie weisen das Mantra als passende Reaktion auf eigentlich jedwede Widerfahrnis aus, und vor allem als Mechanismus, die eigene psychische und mentale Intaktheit zu bewahren. Das ist witzig – und zumeist auch so gemeint, denn die Memes sind häufig selbstironisch gebrochen zu verstehen. Man kann trotzdem darüber nachdenken, was die It is what it is-Philosophie eigentlich bedeutet.
Bemühtes Schulterzucken
Philosophisch geschulte Interpret:innen erkennen darin die affektlose Akzeptanz des Gegebenen, einen Stoizismus, oder die klaglose Abwendung von dem Versuch, dem Bestehenden Sinn abzuringen, die die Philosophie des Absurden vorschlägt. Der Leitspruch ‚Es ist, wie es ist‘ vermittelt in seiner Tautologie einerseits Resignation: Das Dasein erscheint als ein geschlossener Komplex, dessen Beschaffenheit und Ablauf vom Einzelnen weder zu durchschauen noch zu beeinflussen ist. Und andererseits liegt darin nicht nur ein Frustrationsmoment, sondern zugleich eine sehr tröstliche Erkenntnis: Wenn das Sein ohnehin in einem sich selbst bestätigenden Zirkel seinen eigenen Regeln folgt, bin ich selbst von jeglicher Verantwortung entbunden. Man kann die It is what it is-Philosophie vielleicht als resignativen Quietismus beschreiben, dem sich die Gen Z selbstständig verschrieben hat, man kann sie auch metaphorisch als das Schulterzucken einer ganzen Generation bezeichnen – aber diese Metapher bedarf der Erläuterung, denn es ist ein bemühtes, ein angestrengtes Schulterzucken, das nicht eigentlich aus Gleichgültigkeit gegenüber dem Übel heraus oder gar aus völliger Seelenruhe entsteht, sondern aus dem Versuch heraus, sich über die eigene Hilflosigkeit hinwegzutrösten. Die ständig eingehenden Push-Benachrichtigungen der Tagesschau-App, die über aktuelle Entwicklungen informieren, sind ja nur eine Metapher für die sich steigernden Herausforderungen und hyperkomplexen Probleme unserer Zeit.
Eine Ergänzung
Man muss die It is what it is-Philosophie nicht als resignativen Ausdruck einer verzweifelt um Resilienz ringenden Geisteshaltung werten: In Anbetracht der beispielsweise von der Kritischen Theorie formulierten Erkenntnis, dass Herrschafts- und Unterdrückungszusammenhänge sich zu einem System verstricken, das den Einzelnen übersteigt und auch bei größtem Bemühen nicht zu zerschlagen wäre, erscheint die nüchterne Anerkennung, dass manche Dinge nun mal sind wie sie sind, ganz gleich, wie sehr wir uns daran auch aufreiben wollten, nicht irrational. Und doch: Zur absoluten Philosophie stilisiert, werden das Mantra und die Geschlossenheit des Weltlaufs, die es transportiert, zur lähmenden Illusion – und zur selbsterfüllenden Prophezeiung. In einer seiner bekanntesten aphoristischen Wendungen konstatiert Theodor W. Adorno, „[n]ur wenn, was ist, sich ändern läßt, ist das, was ist, nicht alles“[2]. Sich selbst der Option zu berauben, sich an den Dingen, wie sie eben sind zu stoßen und auch angesichts des Bedrückenden (oder besser: gerade deswegen) über den Ist-Zustand hinauszudenken, erscheint geradezu unverantwortlich. Vielleicht ist man also gut beraten, seine It is what it is-Philosophie ein wenig zu erweitern: Es ist, wie es ist – aber das kann nicht alles sein.
[1] Unter „Meme“ versteht man ein Phänomen der Internetkultur, das einen wiedererkennbaren Medieninhalt (bspw. ein Bild, ein Video, eine Audiosequenz oder auch eine Phrase) auf verschiedene situative Kontexte überträgt, mit denen der Bedeutungsgehalt des Medieninhalts korrespondiert.
[2] Theodor W. Adorno, Negative Dialektik, Frankfurt a. M. 91997, 391.
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