Heinz Liberda (Burghausen) denkt in seinem Leserbrief den Beitrag von Susanne Glietsch naturwissenschaftlich weiter.
In dem Aufsatz von Dr. Susanne Glietsch (16.09.25) wird in der Überschrift weiter gefragt, …. „wie lässt sich Gott dann konkret denken?“ Dazu möchte ich einige naturwissenschaftlich beeinflusste Gedanken einbringen, ausgehend von Gott als Schöpfer des Kosmos.
Unser Kosmos hatte, wie aus astronomischen Beobachtungen berechnet worden ist, einen Anfang vor rund 13,8 Milliarden Jahren, den sogenannten „Urknall“, den man als Gottes Schöpfungstat sehen kann: Da war auf auf einmal auf unerklärte Weise unermessliche Energie vorhanden, aus der dann die Masse des Weltalls und mehrere Arten von Strahlen entstanden –
nach heute bekannten Naturgesetzen und einer erstaunlicherweise dazu passenden Mathematik. Für die Erkenntnisse der Naturwissenschaften dürfte der Urknall derzeit die ultimative „Lücke“ sein. Dagegen ist diese Lücke geschlossen für den, der an Gott als Schöpfer von Allem glaubt.
Erst ab dem Urknall könne man sinnvoll von Raum, Zeit, Masse, Energie und Naturgesetzen sprechen, sagen die Experten. Folglich wären auch alle diese physikalischen Größen Gottes Schöpfungen. Man muss dann annehmen/glauben, dass Gott von diesen seinen Schöpfungen nicht abhängig ist oder begrenzt wird. Diese von vielen Theologen ähnlich gedachte Unbegrenztheit Gottes hätte so auch einen naturwissenschaftlichen Aspekt.
Bei theologischen Überlegungen sollte meines Erachtens die Unabhängigkeit Gottes von der Dimension Zeit deutlicher berücksichtigt werden, seine Überzeitlichkeit, die annähernd mit Gottes “Immer-schon-da-Sein“ und „Künftig-immer-da-Sein“ ausgedrückt wird oder mit
„Gottes Ewigkeit“. Mit der Annahme, dass Gott überzeitlich ist, könnten theologische Themen aktualisiert werden, wie solche, die mit „Prä-“ beginnen, oder wie die Liturgie, die Sakramente, die Gnadenlehre, das Bittgebet oder als folgendes Beispiel unsere Sicht vom Handeln Gottes in der Welt.
Bei „Gottes Handeln“ denken wir an einen zeitlichen Vorgang: Es gibt einen Zustand, bevor Gott handelt und einen Zustand danach, das Ergebnis. Dementsprechend können wir auch Gottes kontinuierliches Schöpfungshandeln an unserem Kosmos sehen, ab dem Urknall und mit dem derzeitigen Zustand als Ergebnis. In der Überzeitlichkeit Gottes gibt es aber kein „Handeln“, kein Vorher und Nachher, kein „Vor dem Urknall“ und kein „Ende der Welt“. Alles ist für Gott gegenwärtig, Anfang, Entwicklung und Weiterbestand der Schöpfung, alles, was sich ereignet hat und alles, was sich künftig ereignen wird.
Gottes Überzeitlichkeit bedeutet demnach auch Gottes Voraus-“Wissen“. Das führt zu einer Frage im Zusammenhang mit dem Schicksal eines (theoretisch) freiwillig bösen Menschen, der Gott und das Gute wissentlich ablehnt. Gott überblickt ja dessen ganzes Leben. Es entspricht aber nicht unserem derzeitigen Gottesbild, dass Gott Menschen erschafft, die später ewig gestraft werden. Vielleicht lässt sich das Problem so lösen: Wenn an eine „Schöpfung aus dem Nichts“ geglaubt werden kann, könnte man sich dann nicht ein Ende des Kosmos als ein „Zurückfallen ins Nichts“ vorstellen? Wäre dann nicht für menschliches Gerechtigkeitsempfinden ein „Zurückfallen ins Nichts“ für freiwillig böse Menschen eine schmerzfreie Alternative zu einer Strafe? Sie hätten eben zu Lebzeiten die Chance auf „ewigen Lohn im Jenseits“ nicht genützt. – Bei Überlegungen zu „Zurückfallen ins Nichts“ stellt sich allerdings die Frage, was „Nichts“ im Zusammenhang mit Gottes Unbegrenztheit überhaupt bedeuten kann. Gibt es „Nichts“ vielleicht nur für menschliches Denken?
Für die Gegenwart Gottes in der Welt gibt es die Metapher, dass Gott die Welt durchstrahlt und auch „in allen Dingen“ zu finden ist. Dieses Bild lässt sich gut auf reale Strahlen übertragen. Besonders gut passt es, meine ich, auf die erst seit einigen Jahrzehnten nachgewiesenen Neutrinostrahlen.
Neutrinos sind extrem kleine Elementarteilchen, die pausenlos in unvorstellbarer Menge aus vielen Richtungen des Alls mit Lichtgeschwindigkeit auf die Erde auftreffen, die Erde und jede Materie ungehindert durchdringen und nicht abgeschirmt werden können. Sie durchdringen auch uns, ohne dass wir etwas davon spüren. Es sollen pro Sekunde ca. 1 Milliarde Neutrinos auf einen Quadratzentimeter sein. (Siehe dazu Videos auf der Webseite von Anna Franckowiak, Uni Bochum).
Wenn Gott im Kosmos anwesend ist, dann – bildlich – ebenso in jedem Neutrino und damit auch in uns. Freund und Feind werden gleicherweise durchstrahlt; dieses Bild könnte alle Menschen verbinden. Für die Beziehung von Gott zu Mensch ist von Gottes Seite schon „alles da“. Gott muss nicht erst herbeigebeten werden; er ist uns „näher als unsere Halsschlagader“, wie im Islam formuliert wurde. Und wir könnten uns gut vorstellen, dass uns diese Strahlen eine geistige Energie vermitteln, auf die wir jederzeit zugreifen können, wenn wir uns dessen bewusst sind – und wenn uns zuvor davon erzählt worden ist. Ich vermute, diese Metapher hätte Meister Eckhart gut gefallen.


